Für manche Menschen ist der (fast) beste Freund ein Hund, eine Katze, ein Hamster oder ein zahmer Spatz. Es ist, als wäre ein Familienmitglied gestorben, sagen viele Betroffene, und ernten manchmal großes Unverständnis in ihrem Umfeld. Man könne doch schließlich einen Hund nicht mit einem Menschen gleichsetzen? Oder, es war doch nur ein Vogel, heißt es dann.
Wieso eigentlich nicht? Wenn dieses Tier mein Alltagsbegleiter ist, manchmal der einzig Anwesende ist, dem ich mein Herz ausschütten kann, dann ist dieses Tier mein Vertrauter. Es bedarf keiner Bewertung, ob hier eine Gleichsetzung zwischen Mensch und Tier angemessen ist. Schließlich bewerten wir auch nicht, ob der eine Mensch mehr wert ist als ein anderer.
Ob Mensch oder Tier: Der Schmerz bei Verlust kann gleich empfunden werden
Der Schmerz bei Verlust eines Tieres, kann genauso stark empfunden werden, wie beim Tod eines Menschen: Verdrängung, emotionaler Schmerz, Verzweiflung, Wut, Schuldgefühle, und erst später dann Akzeptanz, können in gleicher Ausprägung vorhanden sein. Wenn Außenstehende dies abfällig kommentieren oder auch nur demonstrativ zum Ausdruck bringen, Gesten oder Blicke können dabei schon ausreichen, fühlt sich der Trauernde zusätzlich gestraft und missverstanden. Der Verlust eines alltäglichen Begleiters ist besonders schlimm- egal ob es sich um einen Menschen oder ein Haustier handelt. Es ist das Unterbrechen oder der Wegfall gewohnter, gemeinsamer Tätigkeiten, das Erinnern bei täglich ablaufenden Gelegenheiten, der erste Urlaub ohne den Gefährten, sowie Orte und Plätze, die einen an den Verlust erinnern. Gerüche, Haare, Bilder, Gegenstände, Geräusche –all das lässt uns erinnern und gleichzeitig verzweifeln oder versetzt uns in emotionale Starre.
Freunde sollten Entscheidungen nicht vorwegnehmen: Frühes Anbieten von Ersatz wirkt verletzend und ignorant
Ein häufiger Reflex im Freundes- und Bekanntenkreis ist das Gedankenspiel, sich möglichst bald einen Ersatz anzuschaffen. Auch das konkrete Ersatz-Anbieten durch Freunde – ich kenne jemanden, der junge Katzen abzugeben hat- ist sicher gut gemeint, wirkt auf den Trauernden oft verletzend oder ignorant. Der Schmerz und die Liebe zu dem verstorbenen Tier, lassen sich nicht einfach durch einen Ersatz beiseiteschieben. Für manche Tierfreunde ist es ein gängiges Verhalten sich bald einen neuen Begleiter zuzulegen. Für andere kommt das erst einmal gar nicht in Frage. Das Umfeld sollte dies akzeptieren, und wohlmeinende Einschätzungen für sich behalten. Auch wenn es häufig so ist, dass Trauernde im Laufe des Prozesses für ein neues Tier bereit sind, ist es wenig hilfreich, am Anfang einer solchen Trauerphase besserwissend auf diesen Umstand hinzuweisen. Du wirst sehen, das machen früher oder später alle so: Besonders an schlechten Tagen, an Höhepunkten der Trauer, möchte man solche guten Ratschläge nicht hören. Feingefühl und Anteilnahme ist wichtig: Wie geht es dir jetzt in der neuen Situation? Wie schaffst du das? Trauernde wollen durchaus über den Verlust sprechen. Kannte ich als außenstehender Freund das Tier oder hatte selbst einen Bezug zu ihm: Vielleicht ist es angemessen über schöne gemeinsame Begebenheiten zu sprechen, um sich zu erinnern.
Wenn der Schmerz tief sitzt, hilft manchmal (erst nach Jahren) der Zufall
Der Impuls sich wieder eine Katze, einen Hund, eine Schildkröte oder ein Kaninchen an seine Seite zu holen, kommt ganz von allein, wenn der Betreffende bereit dazu ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich jahrelang nicht dazu bereit war. Der Schmerz saß tief, als unsere Katze mit 16 Jahren, schwer krank gestorben war, und ich fürchtete mich davor, dies erneut durchleben zu müssen. Viele Jahre später erst, hatten zwei clevere Katzen vom Bauernhof es geschafft sich bei uns einzuquartieren. Wir fühlten uns geschmeichelt, und hatten im Grunde keine bewusste Wahl getroffen: die Katzen kamen zu uns, obwohl wir sie nicht mit Futter angelockt hatten.
Teil 2 Als ich meinen Hund verloren habe.
Als ich meinen Hund verloren habe. Es klingt ein wenig, wie der Buchtitel eines Buches, dass ein Autor noch schreiben wird. Gibt man als Long-Tail-Suche in den Suchmaschinen als mein Hund starb oder eben Als ich meinen Hund verlor ein, erhält man eine Reihe von sehr nüchternen Ratschlägen, die sich allesamt mit Dingen wie der Sammeleinäscherung oder dem Abbestellen der Hundesteuer und dem Meldevorgang beim Ordnungsamt beschäftigen. Sehr direkt und unverblümt erscheinen Suchergebnisse wie Soll ich meinen Hund einschläfern lassen oder der Hinweis, das tote Tier nicht einfach im Wald zu begraben. Auch wenn es sich bei der Suchmaschinenabfrage um Algorithmen handelt: Ich hatte etwas mehr Empathie erwartet. Denn irgendwer füttert schließlich diese Suchmaschinen mit Informationsmasse, und im Umkehrschluss scheinen diese Formalitäten von großer Wichtigkeit zu sein, wenn sie so prominent erscheinen. Und doch kann ich mir nicht vorstellen, dass viele Hunde- und Tierfreunde derart unemotional gestrickt sind. Meine Erfahrung sagt mir etwas anderes. Einige Zeitschriften und Webportale gehen dann tatsächlich mit etwas mehr Gefühl an die Sache heran, und beschreiben die Gefühlslagen der betroffenen Tierfreunde oder die Phasen und Merkmale des oft schleichenden Sterbeprozesses.
Muskeln werden schwach, Leber und Niere stellen die Arbeit ein
So wird der körperliche Verfall mit immer schwächer werdender Muskulatur sichtbar. Es kommt zu Muskelspasmen, die Reflexe lassen nach, das Tier knickt beim Gehen und Stehen weg. Der Hundegang kann schwankend sein, der Blick des Tieres wird von Tag zu Tag trüber. Organe, wie die Leber oder die Nieren, hören nach und nach auf zu arbeiten und stellen ihre Funktion ein. Die schlaffe Muskulatur an Beinen und Gesicht wird mit der Zeit auffallend, die Haut ist ausgetrocknet, das Fell wird dünn und verändert seine Farbe.
Lustlos und abgemagert, wie fühlt sich der Hund, wenn er stirbt?
Wir können uns nicht hineinversetzen, aber wir können die Tiere aufmerksam beobachten. Wir bemerken Rückzug, tiefe Blicke des Tieres, Unruhe oder ständiges Ruhebedürfnis. Hunde ändern ihr Verhalten, wenn sie trauern. Sie können depressiv und lustlos wirken. Sie können gar keinen oder wenig Appetit haben und sich dem Spielen verweigern. Vielleicht schlafen sie mehr als gewöhnlich, sind langsam in ihren Bewegungen und reagieren kaum noch auf äußere Reize. Hunde, die im jungen und mittleren Alter sehr aktiv, zuweilen aggressiv auf andere Hunde reagierten, werden phlegmatisch und energielos, und zeigen kaum noch Interesse an Konflikten. Das Sauberkeitsempfinden lässt nach, und der Gassi-Gang findet zu allen außerordentlichen Tageszeiten, mit erhöhter Frequenz und im kleinen Radius um das Zuhause herum statt.
Der schmerzhafte Prozess des Loslassens, kein Antrieb sich mitzuteilen
Doch wie steht es um die Gefühle der Tierfreunde? Es liegt die Vermutung nahe, dass viele, die sich in so einer schwierigen Phase der Anpassung (an die neue Situation: das künftige Leben ohne das Tier) befinden, keine Energie oder den Willen aufbringen können, über den schmerzhaften Prozess vor, während und nach dem Tod zu schreiben. Im Nachgang, wenn das Tier verstorben ist, und mit etwas Abstand zum Geschehen, ist es die Furcht vor den erneuten aufkommenden Emotionen, die uns davon abhält darüber zu kommunizieren. Der Antrieb sich mitzuteilen kann bei einigen sehr groß sein, bei anderen ist er kaum vorhanden.Einige tun es in Chats oder in Bekundungen oder Bildern über Instagram und Facebook, vollständige Berichte finden sich seltener. Das Loslassen beginnt für einige lange vor dem tatsächlichen Ableben des Tieres, wenn sich das Älter- und Schwächerwerden deutlich abzeichnet. Ein Prozess, der über Jahre andauern kann. Auch diese Phase ist von sehr viel Trauer und langsamen Abschiednehmen gekennzeichnet. Sensible Tierfreunde möchten ihrem Tier eine schöne restliche und gemeinsame Zeit ermöglichen, verzweifeln jedoch zusätzlich an dieser traurigen Grundstimmung, die sie selbst und auch andere Beteiligte verursachen. Es besteht die Furcht, das sich Traurigkeit,Verzweiflung, Ratlosigkeit im Umgang mit der Situation und die mitleidigen Blicke, auf das Tier übertragen und es zusätzlich belasten. Freunde, Partner, Nachbarn -und sogar völlig Unbeteiligte wie Spaziergänger- bringen (bewusst und unbewusst) zum Ausdruck, dass es aus ihrer Sicht längst an der Zeit ist, das Tier von seinem Siechtum zu erlösen.
Was wir fühlen: emotionale Schockstarre und Akzeptanz im Wechsel
Emotionale Taubheit und Starre, Verdrängung und mit dem Schicksal „verhandeln“ , vorläufige Akzeptanz – all das sind emotionale Zustände von Trauernden, die häufig im Wechsel ablaufen. Nicht nur Kinder versuchen mit dem lieben Gott ein Geschäft zu machen, in dem sie alles versprechen, wenn bloß Mucki, das Kaninchen zurückkehrt. Ein Patient sagte mir einmal, dass er sich keine Tiere mehr anschaffen wollte, weil er den sich abzeichnenden Sterbevorgang nicht ertragen kann. Er deute dann sofort den etwas trüberen Blick als Vorbote des nahenden Todes, und empfände dann nur noch Mitleid mit dem Tier und dazu das eigene Leid. Als Kind hatte er das mehrfach durchlebt, und anscheinend keine geeignete Form der Bewältigung entwickeln können. Die Eltern hatten stets für ein "Ersatz"-Tier gesorgt, doch beim heranwachsenden Kind, war die Angst vor dem erneuten Verlassen werden, immer größer geworden. Als seine spätere Partnerin auf eigene Faust eine Katze anschaffte, war der Mann besonders ängstlich, weil das Paar an einer stark befahrenen Hauptstraße lebte, und er vom Schlimmsten ausging, was die Überlebenschance des Tieres anging. Dies war ein Teilaspekt einer dysfunktionalen Kommunikation in einer schwierigen Beziehung und war ergänzend zu einer komplexen psychischen Erkrankung aufgetreten. Das Trauern oder die Angst vor Verlust ist nicht per se krankhaft. Dennoch war sein Verhalten symptomatisch, für unseren gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod im Allgemeinen: die Erinnerung daran in einem verborgenen Gehirnareal separieren, und Berührungspunkte möglichst vermeiden.
Optische und akustische Wahrnehmungen: unser Gehirn
Andere Patienten berichten, dass sie nachts noch lange nach der verstorbenen Katze rufend im Garten verbracht haben, als einen Akt der Verdrängung und des Nicht-Wahrhaben-Wollens- ein häufiges Merkmal der Trauer. Sehr oft werden optische oder akustische Wahrnehmungen berichtet, die noch Wochen und Monate andauern könne. Das dumpfe Geräusch der Katze, die nach einem Sprung auf dem Boden landet oder aber das Tier als visuelle Täuschung, wie es schnell durch ein Zimmer huscht.
In folgenden Artikel und Teil 3, geht es darum, wie die kognitive Verhaltenstherapie bei Trauer und Verlust hilfreich sein kann…